NORITSUGU ODA
Das allererste Mal, als Noritsugu Oda auf einem Stuhl saß, war im Klassenzimmer seiner Grundschule. Als Erwachsener kaufte er das Chaiselongue LC4 von Le Corbusier. Dies entwickelte sich später zur weltweit größten privaten Sammlung an Stühlen, die heute 1.350 Exemplare zählt. Er begann als Professor an der Hokkaido Tokai Universität im Fachbereich Kunst und Technologie zu arbeiten und hielt dort das Oda Seminar ab. Im Jahr 2015 hatte er seine letzte Vorlesung. Er hat an zahlreichen Designausstellungen wie „The Exhibition of 180 Danish Chairs“ und „20th Century Design Exhibition – through Chairs“ mitgewirkt und eine Reihe von Werken über dänisches Stuhldesign veröffentlicht. Im Laufe seiner Karriere erhielt er mehrere Auszeichnungen, wie den „Danish Furniture Award“ und den „Wegner Award“ für seine beeindruckende Forschung und Privatsammlung.
"Ein guter Stuhl fordert uns auf, uns gut zu benehmen."
„Die von Wegner entworfenen Stühle sind ein wahrer Genuss, sobald man auf Ihnen Platz nimmt. Wenn ich auf seinen Stühlen sitze, spüre ich wirklich die menschlichen Qualitäten, die Wegner auszeichneten.“
SIE BETREIBEN WISSENSCHAFTLICHE UNTERSUCHUNGEN VON STÜHLEN – EHER EIN NISCHENBERUF. WAS IST DIE GESCHICHTE HINTER DIESER BESCHÄFTIGUNG?
In Japan begannen Stühle ungefähr im Jahr 1955 in gewöhnlichen Haushalten aufzutauchen, aber als ich 1946 kurz nach dem Pazifikkrieg geboren wurde, gab es keinen einzigen Stuhl in meinem Elternhaus. Ich erinnere mich daran, dass ich zum ersten Mal auf einem Stuhl saß, als ich die Grundschule begann – im Klassenzimmer. Der Grund, weshalb ich so an Stühlen interessiert bin, ist folgender: wenn man das Wort „chair“ im Wörterbuch nachsieht, hat es zwei Bedeutungen. Die physische Bedeutung, die Hauptachse zu sein, die den Körper unterstützt, und die sehr spirituelle, abstrakte Bedeutung, einen Status zu repräsentieren. Um diesen Status zu repräsentieren, wird der Leiter einer Organisation auf Englisch als "chair" oder „chairman“ (auf deutsch Vorsitzender) bezeichnet. Wenn man einem Unternehmen angehört, strebt man eine höhere Position (auf englisch „seat“, also Sitzplatz) an, um zu einer Führungskraft oder schließlich einem Teil der Unternehmensleitung aufzusteigen. Dieses tief sitzende Bedürfnis in der menschlichen Psyche nimmt in Stühlen seine Form an. Ich glaube, das ist der Grund, warum viele Menschen sich von Stühlen angezogen fühlen.
INWIEWEIT SEHEN SIE ÄHNLICHKEITEN ZWISCHEN DEM DÄNISCHEN UND DEM JAPANISCHEN DESIGNERBE UND DESIGNAUSDRUCK?
Was die Handwerkskunst betrifft, so haben dänisches und japanisches Handwerk viel gemeinsam, insbesondere was die Ästhetik betrifft. Japaner legen Wert auf Bescheidenheit und Einfachheit, was wir mit den Skandinaviern gemeinsam haben. Auch im Herstellungsprozess gibt es Gemeinsamkeiten, z. B. wie man das Beste aus den natürlichen Eigenschaften eines Materials macht und wie man die Form so weit wie möglich vereinfacht. Dasselbe gilt für die Handwerkskunst, bei der hochqualifizierte Handwerker großes Ansehen genießen. Zur Zeit des Japonismus (der Vorliebe für den japanischen Stil, der im späten 19. Jahrhundert in Europa beliebt wurde) nahmen japanische Kultur, Kunst und traditionelles Handwerk ebenfalls einen großen Einfluss auf die skandinavischen Länder. Dänemark und Japan hegten diesbezüglich immer eine tiefgreifende Sympathie füreinander.
SIE HABEN IHRE PRIVATE SAMMLUNG VON WEGNER-STÜHLEN AUSGESTELLT UND MEHRERE PUBLIKATIONEN ÜBER WEGNER VERÖFFENTLICHT. WIE WAR IHRE PERSÖNLICHE BEZIEHUNG ZU WEGNER?
Da ich „nur“ ein Wissenschaftler bin, der Informationen sammelt, habe ich mir immer selbst gesagt, dass ich keine Grenzen überschreiten sollte. Nachdem ich jedoch Wegners Anerkennung gewonnen hatte, führte er mich an Orte, die für den normalen Interviewer außer Reichweite lagen. Wir haben sogar gemeinsam bei ihm zu Hause gegessen. Ich hatte auch die Gelegenheit, mit Wegner in seinem Auto in sein Dorf zu fahren. Das war für mich eine großartige Zeit.
WAS IST FÜR SIE EIN ERSTKLASSIGER STUHL?
Die von Wegner entworfenen Stühle sind ein wahrer Genuss, sobald man auf Ihnen Platz nimmt. Sie sind einfach ganz hervorragend hergestellt. Gleichzeitig sind die Proportionen wunderschön – auf eine funktionale Art und Weise. Wegners größter Wunsch war es, Maschinen zur Herstellung von Möbeln mit einheitlichen, konsistenten Proportionen und Funktionalität einzusetzen, die für jeden zu einem möglichst günstigen Preis erschwinglich sein sollten. In dieser Hinsicht hatte Wegner das gleiche Ziel wie Børge Mogensens „Stühle für das Volk“, und er war immer stolz darauf, in erster Linie ein Möbelhandwerker und erst dann ein Designer zu sein. Wenn ich auf seinen Stühlen sitze, spüre ich wirklich die menschlichen Qualitäten, die Wegner auszeichneten. Ein Stuhl ist ein Gegenstand, der die Persönlichkeit und die menschlichen Qualitäten des Künstlers am ehesten zum Ausdruck bringt.
Ein guter Stuhl fordert uns auf, uns gut zu benehmen.